也转一篇,老先生认为中国是一古老的文明古国,将会再次瞩目,德国不应干涉中国内政….
Interview mit Helmut Schmidt: Wir sehen China ganz falsch

Fünfzehn Mal besuchte der Altbundeskanzler China. Im Gespräch mit unserer Zeitung warnt Helmut Schmidt davor, das Riesenreich an den Maßstäben westlicher Erwartungen zu messen. Eine „Demokratisierung“ nach amerikanischen Vorbild schließt der China-Kenner aus. Das Land werde seinen eigenen Weg gehen.
China als welthistorisches Experiment: Seit Jahrzehnten verfolgt Altbundeskanzler Helmut Schmidt den Aufstieg des Riesenreiches. (Foto: dpa)

Herr Bundeskanzler, beim Hören Ihrer Äußerungen sowie beim Lesen Ihrer Texte über China habe ich neben dem Eindruck, dass Sie mit größter Sorgfalt die dortigen Entwicklungen zu beschreiben versuchen, auch das Gefühl, da sei eine große Leidenschaft für China.
Schmidt:
Nicht Leidenschaft, sondern Neugierde.


Woher kommt die?
Schmidt:
In der Weltgeschichte gab es eine Reihe von Hochkulturen. Zum Beispiel im heutigen Iran und Irak, früher das fruchtbare Mesopotamien und noch früher Zweistromland genannt. Ich denke zudem an die Hochkulturen der Inkas, Tolteken und Azteken in Südamerika und auch an die in Indien und Ägypten.

Die chinesische Hochkultur ist zwischen 4000 und 5000 Jahre alt, und das Besondere an ihr, sie lebt immer noch, obwohl sie uralt ist. Warum ist das so? Und wieso sind alle anderen untergegangen? Das ist der Gegenstand meiner Neugierde.

Die chinesische existiert immer noch, obwohl sie das nicht hat, was wir für den größten Fortschritt der Menschheit halten, nämlich Demokratie.
Schmidt:
Nun hatten alle anderen, die ich vorhin nannte, auch keine. Keine von denen war eine Demokratie.

In Gesprächen über andere Länder heben Sie stets den Wert der Nichteinmischung in deren inneren Angelegenheiten hervor.
Schmidt:
Ja, die Nichteinmischung ist ein Begriff aus dem Völkerrecht. Ich warne davor, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. Das gilt nicht nur für China, sondern genauso gut für den ehemaligen Staat Jugoslawien, für Kolumbien, Venezuela. Ja, das gilt für jeden Staat der Welt.

Nun kommt Ihre Neugierde, die Sie für sich geltend machen, doch nicht aus dem Nichts.
Schmidt:
Der liebe Gott hat mich wohl mit dieser Neugierde ausgestattet. Außerdem ist das heutige China, sagen wir das China aus der zweiten Hälfte des 20. und das China zu Beginn des 21. Jahrhunderts, so wahnsinnig interessant, weil es sich um ein gigantisches Experiment handelt.
Solange Mao lebte, hat er eine Reihe waghalsiger Experimente durchgeführt und dabei schwere Fehler begangen. Zum Beispiel hat sein Großer Sprung nach vorn in den 1950er Jahren Millionen Hungertote gefordert. Man weiß nicht genau, wie viele dabei umgekommen sind.
Möglicherweise eine zweistellige Millionenziffer. Schließlich hat auch das andere gigantische Experiment, nämlich seine sogenannte Proletarische Kulturrevolution, Tausende Tote gekostet. Sie alle sind umgebracht worden. Er selbst starb 1976, und wenige Jahre darauf gelangte mit Deng Xiaoping jemand an die Spitze, der ein neues Experiment mit bisher glänzendem Erfolg wagte.
Bis auf ein paar ostasiatische Ausnahmen wie Hongkong, Taiwan, Singapur und Südkorea ist der so nachhaltige, nun schon seit einem Vierteljahrhundert anhaltende ökonomische Aufschwung mit Zuwachsraten von realen 8, 9 oder 10 Prozent einzigartig auf der Welt. Herauszufinden, wieso den Chinesen dieses Wunder gelingt, ist ungeheuer spannend.

Haben Sie eine Antwort?
Schmidt:
Wenn ich eine hätte, so hätte ich mich wohl nicht so lange mit China befasst. Zudem kann man es auch nicht in einem Satz zusammenfassen.

„Was die Amerikaner und die meisten Europäer überhaupt nicht verstehen, ist der Umstand, dass das ohne den vorausgegangenen anderthalb Jahrtausende alten Konfuzianismus nicht so erfolgreich funktionieren würde.“
Da wirken zu viele Faktoren zusammen. Was die Amerikaner und die meisten Europäer überhaupt nicht verstehen, ist der von der kommunistischen Partei nicht nur vor der Welt, sondern auch vor sich selbst geleugnete Umstand, dass das ohne den vorausgegangenen, anderthalb Jahrtausend alten Konfuzianismus nicht so erfolgreich funktionieren würde.
  
Das weiß niemand in Europa, und das weiß auch niemand in Amerika. Sie haben auch keine Kenntnis davon, dass Konfuzius zur gleichen Zeit wie Aristoteles, Plato oder Perikles gelebt hat. Ein halbes Jahrhundert vor Jesus Christus.
  
Sie wissen auch nichts von der bis ans Ende des europäischen Mittelalters dauernden technologischen Überlegenheit der Chinesen gegenüber den Europäern. Sie hatten längst das Schießpulver. Sie hatten Bücher, gedruckt mit beweglichen Lettern. Lange vor Gutenberg. Sie verfügten längst über den Magnetkompass sowie über Raketen.
  
Sie besaßen längst Kanonen und fuhren längst Segelschiffe, die zwanzig Mal so groß waren wie die Schiffe von Kolumbus. Den Europäern ist auch nicht bekannt, dass die Chinesen vor einem halben Jahrtausend qualifiziertere Ingenieure und bessere Wissenschaftler als wir Europäer waren.
  
Und sie verstehen auch nicht, dass die jetzigen chinesischen Aufschwünge ohne den historischen Hintergrund und ohne das kulturelle Erbe kaum vorstellbar wären. Ich habe das alles jetzt nicht gesagt – das füge ich vorsichtshalber hinzu –, um die gegenwärtige kommunistische Führung in China in Schutz zu nehmen oder um die politischen Verhältnisse schön zu malen. In dem von mir bisher Geäußerten steckt einstweilen noch keine Bewertung.

Gehen Sie davon aus, dass der zu Maos Zeiten verbotene Konfuzianismus gleichwohl unter Mao wirksam war?
Schmidt:
Konfuzius war für ihn Anathema. Um deutlich zu machen, was ich meine, will ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, die ich irgendwo aufgeschrieben habe. Nach meiner Erinnerung spielt sie im Jahre 1984. Ich unterhalte mich in Peking privat und unter vier Augen mit Deng Xiaoping, der damals bis auf den Vorsitz des Militärkomitees kein großes Staatsamt mehr bekleidet.
  
Gleichwohl ist er der unangefochtene politische Führer. Miteinander über die chinesische Geschichte und die Gegenwart redend, sage ich zu ihm, um ihn ein bisschen zu ärgern, halb ironisch, halb im Ernst: „Eigentlich habt Ihr euch doch einen ganz falschen Namen gegeben. Ihr nennt Euch Kommunistische Partei, dabei müsstet Ihr in Wirklichkeit Konfuzianische Partei heißen.“ Einen Augenblick stutzend, sagt er nach einer Weile: „So what!“ Auf Deutsch: „Was hast du dagegen!“

Dazu wüsste ich gerne mehr. Warum nahmen Sie das an?
Schmidt:
Eigentlich bezog sich das nicht auf die gesamte Partei, sondern auf Deng. Ich sagte ihm, er sei weit weniger Kommunist als Konfuzianer. Das war ein ganz kluger Kerl. Ja, ein souveräner Kopf.

Ihm begegneten Sie zum ersten Mal bei Ihrem ersten und einzigen Besuch bei Mao.
Schmidt:
Ja, da lebte Mao noch.

Hatten Sie, obwohl Sie gegen sein striktes System waren, Sympathien für Mao?
Schmidt:
Ich bin nicht gegen das System Maos. Ich bin ein Europäer. Warum soll ich gegen Mao sein? Ich war gegen die verrückten Maoisten in Deutschland, die nichts von Mao wussten, sondern nur die überwältigenden Bilder von den Massenbewegungen aus dem Fernsehen kannten. Was sie glaubten, was Maoismus sei, war etwas vollkommen anderes. Es hatte weder etwas mit Mao noch mit seinem System zu tun.

Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht die Zeit von Mao?
Schmidt:
Ich würde sie ähnlich beurteilen, wie die heutigen chinesischen Führer es in einem Privatgespräch tun. Wenn sie jemanden finden, der offen redet, so räumt er ein: „Mao hat große Fehler begangen. Aber 70 Prozent waren richtig.“
  
Bei meiner Einschätzung komme ich nicht auf 70 Prozent, sondern auf sehr viel weniger. Aber einiges war richtig. Zum Beispiel: Er hat entgegen der kulturellen Tradition in China die Frauen befreit.

„Sie dürfen nicht den Fehler begehen, die heutigen Führer Chinas mit Maoisten zu verwechseln.“
Frauen und Männer sind seitdem gleichberechtigt. Das ist eine Leistung angesichts einer viertausend Jahre alten kulturellen Tradition. Die zweite große Leistung ist die Wiederbegründung des chinesischen Staates, der 1945 völlig am Boden war. Wer einigermaßen gerecht sein will, muss diese Errungenschaften anerkennen. Daneben stehen schlimme Fehler und schlimme Sünden.
  
Aber Sie dürfen nicht den Fehler begehen, die heutigen Führer Chinas mit Maoisten zu verwechseln. Damit haben sie nicht viel am Hut. Zwar thront Mao als Halbgott auf dem Sockel und wird nach wie vor verehrt. Aber gleichzeitig ließen sie für Konfuzius einen Tempel bauen, in dem Millionen von Chinesen dem alten Konfuzius die Ehre erweisen.

Können Sie sich an die bei Ihrer ersten Reise nach China angesichts dessen, was Sie dort sahen, hörten und rochen, ausgelösten Erstlingsgefühle erinnern?
Schmidt:
Nicht Gefühle, sondern Neugierde. Ich begriff relativ früh in den 1960er Jahren, dass China eines Tages wieder zu einer Weltmacht aufsteigen würde, die es ja schon einmal gewesen ist. Deswegen war ich schon als Bundestagsabgeordneter, also als Fraktionsvorsitzender bei den Sozis, neugierig darauf, was sich da tut und entwickelte. Als ich Ende 1969 Verteidigungsminister wurde, gewann ich noch mehr Klarheit darüber, dass China in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen würde.
  
Dennoch unterhielten wir immer noch keine diplomatischen Beziehungen. Weil mich zutiefst interessierte, was dort geschah, verordnete ich mir eine Dienstreise, die mich rund um China führte. Ich wollte mir dieses riesige Land von außen mit australischen, mit neuseeländischen, mit thailändischen, mit japanischen und mit koreanischen Augen anschauen. Wieder zurück in Deutschland, sagte ich zu meinem Bundeskanzler Willy Brandt, nicht im Kabinett, wohl im privaten Gespräch: „Wir müssen diplomatische Beziehungen aufnehmen. Ich bin mir ganz sicher, China wird eine Weltmacht.“ Das hat er sieben Jahre vor den Amerikanern gemacht.

Woran machten Sie fest, dass China das Potential zu einer Großmacht hat?
Schmidt:
Sie können mir ein Loch in den Bauch fragen. Ich habe es nicht an irgendwelchen Indizien abgelesen. Es gab dafür keine Beweise. Es war wohl die Intuition eines geschichtsbewussten und geschichtserfahrenen Mannes. Ich war damals 50 Jahre alt, also nicht mehr ganz so jung, und ich hatte mein ganzes Leben lang gelesen.

Sie haben einmal gesagt, dass Deng Xiaoping eines Tages als einer der wichtigsten Staatsmänner seiner Zeit in die Geschichte eingehen würde.
Schmidt:
Habe ich das gesagt? Ja, er wird als der erfolgreichste Kommunist in die Geschichte eingehen. So kann man es sagen.

Warum waren Sie von ihm so angetan?
Schmidt:
Er war nicht nur freundlich. Wenn er auch kein liebenswerter Mensch war, so hat er mir doch sehr imponiert. Aber er hat die Tian-An-Men-Krise, also die große Tragödie vom 4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens, zu verantworten, die viele hundert Tote kostete.
  
Jedoch ist das ein Ereignis, das der Westen nicht einmal im Ansatz versteht. In China ist die Wahrung des eigenen Gesichtes von ganz zentraler Bedeutung. Auch Sie, Herr Jocks, werden bei Ihren Besuchen in China bemerkt haben, dass man das Spiegelbild des einzelnen Menschen nicht beschädigen darf. Die Studentendemonstrationen hatten dort von Woche zu Woche angedauert.
  
Der damalige Generalsekretär der Partei Zhao Ziyang hatte versucht, sie zu überreden, und wollte es noch einmal versuchen. Doch ohne Erfolg.

„Es gibt so viele Faktoren, die in den westlichen Medien weder richtig dargestellt noch von ihnen verstanden wurden, die diese Tragödie auf dem Platz des Himmlischen Friedens ausgelöst hatten.“
Und nun musste der Chef der Sowjetunion, der zum ersten Mal seit dem Bruch zwischen Chruschtschow und Mao auf Besuch nach China kam, wegen der Demonstrationen die sogenannte Halle des Volkes durch die Hintertür betreten. Ich betone, durch die Hintertür.
  
Das war für die chinesische Regierung unerträglich. Zuvor hatten sie wochenlang die Demonstrationen ertragen. Aber dieser extreme Gesichtsverlust war für sie nicht hinnehmbar. Hinzu kam, dass einige wildgewordene Studenten die aufgefahrenen Soldaten tätlich angegriffen hatten, und die hatten, weil sie Soldaten waren, zurückgeschossen.
  
Wenn es keine Soldaten, sondern Polizeibeamte gewesen wären, hätten sie nicht sogleich geschossen, sondern mit Stöcken gedroht. Es gab aber keine Polizei. So gibt es viele Faktoren, die in den westlichen Medien weder richtig dargestellt noch von ihnen verstanden wurden, die diese Tragödie insgesamt ausgelöst hatten.
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