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发表于 2008-3-18 23:40
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tagesschau-Chat
Prof. Eberhard Sandschneider, China-Experte
Eberhard Sandschneider Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Prof. Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ]
Moderatorin: Herzlich willkommen im tagesschau-Chat. Im ARD-Hauptstadtstudio ist heute Prof. Dr. Eberhard Sandschneider zu Gast. Er ist China-Experte und Direktor des Forschungsinstitutes der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Liebe User, nutzen Sie die Gelegenheit, um ihre Fragen zu den massiven Aufständen in Tibet an unseren Experten zu richten. Herr Sandschneider, herzlich willkommen - können wir beginnen?
Eberhard Sandschneider: Selbstverständlich, ich freue mich auf die Fragen.
Moderatorin: Gleich zu Beginn eine der beliebtesten Fragen aus der Vor-Chat-Phase:
salkw: Wie kommt China dazu, einen Anspruch auf Tibet zu erheben?
Eberhard Sandschneider: China hat unmittelbar nach der Errichtung der Volksrepublik im Jahr 1949 und in den beiden anschließenden Jahren Tibet militärisch erobert und erhebt seither einen Souveränitätsanspruch, der von der internationalen Staatengemeinschaft auch nicht in Frage gestellt wird. Erst vor wenigen Wochen hat der deutsche Außenminister die Zugehörigkeit Tibets zum chinesischen Staatsgebiet ausdrücklich bestätigt. Die Kritik des Westens richtet sich eher gegen Menschenrechtsverletzungen und gegen den Umgang Chinas mit der tibetischen Kultur.
dedda: Was ist an Tibet so bedrohlich für China?
Eberhard Sandschneider: Tibet selbst ist gar nicht bedrohlich für China, aber die Unabhängigkeitsbestrebungen sind eine große Herausforderung für Chinas Interesse, seine nationale Souveränität und seine interne Stabilität zu wahren.
Eberhard Sandschneider Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Der China-Experte Prof. Dr. Eberhard Sandschneider (li.) im tagesschau-Chat ]
F_Wüchner: Der Zeitpunkt für den Aufstand ist geschickt gewählt. China steht wegen der Olympischen Spiele unter den Augen der Weltöffentlichkeit und kann nicht zu hart auf die Proteste reagieren. Denken Sie, dass auch andere "Separatisten" wie die Uighuren oder die taiwanesische Unabhängigkeitsbewegung, die Gunst der Stunde nutzen und die chinesische Regierung unter Druck setzen werden?
Eberhard Sandschneider: Das ist zumindest die Befürchtung der Regierung in Peking. Wir sollten nicht vergessen, dass am kommenden Samstag in Taiwan Präsidentschaftswahlen stattfinden, die aus Pekinger Sicht ebenfalls mit großer Aufmerksamkeit und zum Teil auch mit Sorge betrachtet werden. Die chinesische Regierung hat mittlerweile begriffen, dass die Olympiade nicht nur ein großes sportliches Ereignis - mit dessen Hilfe man das Image des Landes international aufpolieren kann - sein wird, sondern dass es auch vielfältige Versuche gibt, Kritikpunkte des Westens bei dieser Gelegenheit in besonderer Weise insbesondere in unseren Medien in den Mittelpunkt zu stellen. Selbstverständlich wissen die Vertreter tibetischer Exilorganisationen, dass die hohe internationale Aufmerksamkeit auf der Olympiade für sie ein idealer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang ist, um ihre eigenen Forderungen in die internationale Aufmerksamkeit zu bringen.
Lukas Uhde: Halten Sie einen Boykott der Spiele für angemessen? Und würde er in China überhaupt etwas bewirken?
Eberhard Sandschneider: Erstens würde ein solcher Boykott nichts für die Menschen in Tibet bewirken. Er würde auch die chinesische Regierung nicht zu einer Änderung ihrer Haltung bringen. Bestenfalls könnten diejenigen, die das Bedürfnis empfinden, "etwas zu tun", sich damit trösten, es den Chinesen wieder einmal gezeigt zu haben. Diese Form von Gutmenschentum hilft uns in keiner Weise weiter. Ich halte es für problematisch, wenn wir bei jeder Frage in der wir mit China kritisch diskutieren müssen, gleich zu maximalen Drohgebärden greifen und die Drohung mit einem Olympiaboykott wäre eine solche Gebärde.
kgohde: Hätte man die Olympischen Spiele überhaupt an China vergeben dürfen? Nach dem Massaker am Platz des himmlischen Friedens 1989 wurde sich doch auch ungeheuer empört. Aber die schnelllebige Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden.
Eberhard Sandschneider: Ihr Eindruck ist richtig. Die internationale Öffentlichkeit hat spätestens nach 1992 zu Business-as-usual im Umgang mit China zurückgefunden. Verlockende wirtschaftliche Rahmenbedingungen haben sehr schnell vergessen lassen, wie entsetzt wir über die Ereignisse des 4. Juni 1989 waren. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass auch das ein sehr medial gesteuertes Ereignis war, das vor laufenden Fernsehkameras abgelaufen ist. In vielen anderen Fällen, wo es keine Präsenz westlicher Kameras gab, haben wir zum Teil gar nicht wahrgenommen, dass durchaus vergleichbare Polizei- und Militäreinsätze in China stattgefunden haben. Dass China die olympischen Spiele erhalten hat, ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung. Es ist bei uns eine weit verbreitete Fehlannahme, durch Druck, Kritik oder Drohen mit Sanktionen in China selbst politische Veränderungen herbeiführen zu können. Die Erfahrung zeigt, dass ein schwieriger und langwieriger aber im Grundsatz konstruktiver Dialog am Ende eher zum Erfolg führt, als wenn man China ausgrenzt.
Und wir dürfen nicht vergessen, dass der wirtschaftliche Erfolg des Landes auch dazu geführt hat, dass das Selbstbewusstsein, mit dem China international auftritt, mindestens genauso schnell gewachsen ist wie das Bruttosozialprodukt des Landes.
StudentsForAFreeTibet: Warum ist die Deutsche Regierung so zurückhaltend, was Verurteilungen der chinesischen Innenpolitik betrifft?
Eberhard Sandschneider: Weil solche Verurteilungen nichts verändern in China. Es ist relativ einfach mit wohlklingenden Reden Fehlentwicklungen in China an den Pranger zu stellen.
Das heißt aber nicht, dass sich deshalb in China und für die Menschen in China etwas verändert. Noch einmal: Wem daran gelegen ist, der ist gut beraten, einen schwierigen aber konstruktiven Dialog mit China zu pflegen.
Lichtwolf: Was kann ich als Einzelperson tun, was kann Deutschland als Nation tun, um Druck auf China auszuüben bzw. irgendetwas gegen die Menschenrechtsverletzungen zu tun?
Eberhard Sandschneider: Als Einzelperson können Sie wenig tun, um nicht zu sagen gar nichts. Selbst Deutschland als Nation hat nur begrenzte Möglichkeiten, unmittelbar Druck auf China auszuüben. Nach aller Erfahrung ist es am Ende auch erfolgversprechender, nicht den Versuch zu machen, mit Druck zu arbeiten, sondern China selbst an seinen eigenen Interessen zu packen und auf der Ebene an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten.
Moderatorin: Noch eine Frage aus der Vor-Chat-Phase:
Lotta: Die chinesische Regierung geht mit aller Härte gegen tibetische Demonstranten vor. Trotz einseitiger Berichterstattung seitens der Regierung: Wie schätzen Sie die Haltung bzw. die Stimmung in der chinesischen Bevölkerung diesbezüglich ein?
Eberhard Sandschneider: Wir wissen wenig über das, was die allgemeine Bevölkerung in China über große politische Zusammenhänge denkt. Die Größe des Landes macht es auch unwahrscheinlich, dass insbesondere die vielen Millionen Menschen, die auf dem Lande leben, über größere politische Zusammenhänge genauer informiert sind. Gerade in Fragen Tibets ist die offizielle Informationspolitik nach wie vor entweder zurückhaltend oder sehr propagandistisch. Das wenige, was wir an Reaktionen haben, deutet darauf hin, dass die chinesische Regierung sich auf die Unterstützung der Bevölkerung verlassen kann, wenn es um die Aufrechterhaltung der nationalen Einheit aber auch um das Anwachsen des internationalen Gewichtes Chinas geht.
Nach allem was wir wissen, wird die überwiegende Mehrheit der hanchinesischen Bevölkerung sich uneingeschränkt für einen Verbleib Tibets im chinesischen Staatsgebiet aussprechen.
Horst: Welche Reaktion würden Sie der deutschen Bundesregierung empfehlen, wenn die VR China gewalttätige Demonstrationen in Deutschland für eine Unabhängigkeit - sagen wir: Bayerns - unterstützen würde?
Eberhard Sandschneider: Im Zweifelsfall dieselbe Reaktion, die auch China zeigt: Die deutsche Bundesregierung müsste sich mit allem Nachdruck eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands verbieten. Im Übrigen ist Ihr Hinweis durchaus berechtigt: Wenn es am 1. Mai in Kreuzberg randalierende Demonstranten gibt, die Schaufenster einschlagen und Fahrzeuge anzünden, greift auch in Deutschland die Staatsgewalt mit aller Konsequenz durch.
Ihre Frage ist insofern hilfreich, als dass sie zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur besserwisserisch nach China zu schauen sondern gelegentlich mal auch in den eigenen Spiegel.
Lichtwolf: Ich weiß von in Deutschland lebenden Chinesen, dass sie die Gewaltanwendung gegenüber den Tibetern keinesfalls befürworten. Doch es scheint extrem starke Desinformation oder zumindest zu wenig Information in China selbst zu bestehen, so dass die meisten chinesischen Bürger nicht viel von der wirklichen Situation wissen. Wie wäre es möglich, in China selbst einen Austausch über die "Tibetfrage" zu erwirken, vor allem, da es Ausländern nicht möglich scheint, dort zu wirken, und im Land selbst alle solchen Bemühungen zensiert werden?
Eberhard Sandschneider Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Der China-Experte zu Gast im ARD-Hauptstadtstudio ]
Eberhard Sandschneider: Dafür bleiben die Möglichkeiten bedauerlicherweise mit Sicherheit sehr begrenzt. Ihre Vermutung ist zunächst richtig, dass es nur sehr wenig verlässliche Informationen gerade über Tibet in der chinesischen Presse gibt. Jeder chinesische Bürger aber der es wagt, sich an dieser Stelle zu engagieren, muss damit rechnen, dass er seinerseits in Konflikt mit der chinesischen Polizei gerät. Insofern sind die Hürden für zivilgesellschaftliches Engagement dieser Art in China sehr hoch. Das ist bedauerlich für ein besseres Verständnis für Tibet aber umgekehrt genau im Interesse der Regierung, der es um die Aufrechterhaltung von Stabilität und Ordnung als oberstes Ziel geht.
maximax: Welchen Rang haben militärische / strategische Überlegungen innerhalb von Chinas Beweggründen, Tibet für sich zu beanspruchen? Dabei wäre auch ein kurzer Anriss der aktuellen Sichtweise der chinesischen Führung vom Verhältnis zu Indien interessant.
Eberhard Sandschneider: Selbstverständlich sind militärstrategische Überlegungen Teil von Chinas Anspruch auf Tibet, aber eben nur ein Teil. Bezeichnenderweise sind sich die politischen Eliten in China und Taiwan, bei allem was sie ansonsten trennt, durchaus einig in der Frage, ob Tibet Teil des chinesischen Staatsgebietes ist. Das Verhältnis zu Indien ist für China ein besonders wichtiges, weil es in der Vergangenheit von hohen Spannungen gekennzeichnet war und in den letzten Jahren gerade auch in Anbetracht der wirtschaftlichen Entwicklung in beiden Ländern enorm an Bedeutung gewonnen hat. Zwar toleriert die indische Regierung den Sitz der exiltibetischen Regierung in Daramsalah, aber in der vergangenen Woche wurde ein Protestmarsch, der von dort bis zur Olympiade nach Lhasa führen sollte, nach 56 Kilometern von indischen Polizeikräften gestoppt. Es ist nicht im Interesse Indiens, China an dieser sehr sensitiven Stelle mehr als nötig zu irritieren. Umgekehrt respektiert die chinesische Regierung, wenn auch mit Zähneknirschen, die Tatsache, dass der Dalai Lama in Nordindien eine Zufluchtsstätte gefunden hat.
Moderatorin: Bevor wir zum Dalai-Lama kommen. Hier ein Einwurf zu Ihrem Kreuzberg-Tibet-Vergleich:
zuschauer11: Anmerkung: Bei den Randalen am 1. Mai in Kreuzberg gibt es aber keine Presse-Zensur!
Eberhard Sandschneider: Ich habe Kollegen an der Freien Universität, die das entschieden anders sehen.
peter_kraus: Welche Folgen wird ein möglicher Rücktritt des Dalai Lama haben?
Eberhard Sandschneider: Ein möglicher Rücktritt des Dalai Lama könnte sich nur auf seine weltlichen Funktionen beziehen. Er ist und bleibt Zeit seines Lebens der geistliche Führer des tibetischen Buddhismus. Ein Nachfolger kann nur auf dem Wege der Suche nach einer Reinkarnation nach seinem Tode gefunden werden. Da er selbst in den letzten Jahren zwar als Repräsentant Tibets aber nicht als Politiker im eigentlichen Sinne aufgetreten ist, muss man seinen Hinweis auf einen möglichen Rücktritt eher als ein Signal an die gewaltbereiten Gruppen in der tibetischen Bevölkerung werten, seinem Aufruf zur Gewaltlosigkeit zu folgen. Das zeigt auch ein wenig die Schwierigkeit, in der er sich befindet, da seine Politik der Gewaltlosigkeit offensichtlich gerade unter der jüngeren tibetischen Bevölkerung nicht mehr zwangsläufig geteilt wird.
frokli: Gibt es Tibeter die die Invasion der Chinesen gut fanden?
Eberhard Sandschneider: Es gibt auch in Tibet Menschen, die mit den chinesischen Behörden zusammenarbeiten, insofern ihren Frieden mit Peking gemacht haben und daraus auch wirtschaftliche und sonstige Vorteile ziehen. Ein Abzug Chinas wäre für diese Bevölkerungsgruppe ein gewaltiger Positionsverlust. Insofern darf man nicht davon ausgehen, dass es eine klare Zweiteilung gibt: Auf der einen Seite die Bevölkerung Tibets und auf der anderen Seite Hanchinesen, bzw. die Regierung Chinas in Peking. Die unterschiedlichen Interessen und Gruppierungen in Tibet sind sehr viel differenzierter, als es uns auf den ersten Blick erscheint.
Moderatorin: Zweimal eine ähnliche Frage:
chrisitan m: China verweist immer mit ganz alten Landkarten darauf, dass Tibet schon vor langer Zeit Teil des alten chinesischen Reiches war. Ist dies korrekt oder Propaganda?
dingo: Gehörte Tibet nicht bis Ende des 19.Jahrhunderts zu China?
Eberhard Sandschneider: Das ist immer eine Frage der Sichtweise. Das chinesische Reich in seinen gewaltigen Ausmaßen hat sich tatsächlich zu Zeiten bis an die Grenzen des heutigen Tibet erstreckt. Aber nicht immer war der Durchgriff der chinesischen Staatsgewalt letztendlich gesichert. Die Tibetfrage unterscheidet sich an dieser Stelle kaum von anderen Souveränitätsproblemen, wie wir sie in vielen Teilen der Welt sehen. Taiwan beispielsweise behauptet bis heute, nur sieben Jahre offiziell zu China gehört zu haben - in all den anderen Jahren war es entweder japanische Kolonie oder de facto eigenständig und verweigert deshalb die Anerkennung der Zugehörigkeit zu China. Aus chinesischer Sicht sieht das genau umgekehrt aus. Am Ende geht es um harte machtpolitische Fragen. Seit der Eroberung Tibets Anfang der 50er Jahre durch die Volksbefreiungsarmee hat niemand im Westen oder generell in der internationalen Staatengemeinschaft den Anspruch Chinas auf Tibet in Frage gestellt. Die Kritik bezieht sich immer nur auf kulturelle und menschenrechtliche Aspekte.
logienchen: Wie stark sind denn andere "separatistische" Bewegungen in China. Sind die ernsthaft eine Bedrohung für die Stabilität des Landes?
Eberhard Sandschneider: Neben den Problemfällen Tibet und Taiwan muss man an dieser Stelle insbesondere die nördlich von Tibet gelegene Provinz Xin-Jiang nennen, die mehrheitlich von Uighuren bewohnt wird, die in Anbetracht der Entwicklungen in Zentralasien nach dem Zusammenbruch der UdSSR ebenfalls immer wieder Sezessionsbestrebungen zeigen.
Für die chinesische Regierung sind dies durchaus ernst zu nehmende Problemfälle, die aus vielerlei Gründen die innere und äußere Stabilität des Landes bedrohen können.
Deshalb versucht Peking, eine Politik zu betreiben, die entsprechende Tendenzen schon im Keime erstickt. Indem man einerseits versucht, diese Regionen am Wirtschaftswachstum möglichst teilhaben zu lassen. Andererseits mit härtesten Kontrollschritten reagiert, wenn es zu Unruhen und Aufständen kommt.
gornach: In den letzten Tagen konnte man des Öfteren chinesische Offizielle im Fernsehen sehen, die sich zu den Vorfällen in China geäußert haben. Warum war darunter auch häufiger der chinesische Außenminister, es handelt sich doch um eine innerchinesische Angelegenheit?
Eberhard Sandschneider: Eine bemerkenswert gelungene Frage, die der chinesischen Regierung ein klein wenig auf die Finger schlägt. Eigentlich dürfte sich in dieser Frage der chinesische Außenminister nicht zu Wort melden. Da sich seine Stellungnahmen im Kontext der Sitzungen des nationalen Volkskongresses bewegt haben, an dem die gesamte chinesische Regierung teilnimmt, müsste man aus chinesischer Sicht offensichtlich darauf verweisen, dass die internationale Kritik an den Vorgängen in Tibet eine Frage der außenpolitischen Imagepflege ist. Insofern darf sich dann auch der Außenminister zu Wort melden.
Xuesheng: Inwiefern verzerrt der Dalai Lama Ihrer Meinung nach die Darstellung der tibetischen Meinung in der westlichen Presse? Seine gemäßigte Position widerspricht den Ansichten radikaler "Free Tibet"-Aktivisten. Gewalttätige Ausschreitungen auf Seiten der Tibeter erscheinen uns Westlern dadurch unrealistisch.
Eberhard Sandschneider: Der Dalai Lama ist dieser Tage in einem deutschen Presseorgan als "Popstar der Besinnlichkeit" bezeichnet worden. Wie immer Sie zu dieser Charakterisierung stehen, man muss ihm zugestehen, dass er bei aller Anerkennung der unbestritten Integrität seiner Persönlichkeit über ein perfektes Marketing verfügt. Er hat es geschafft, im Westen als "der" Repräsentant Tibets und der tibetischen Sache wahrgenommen zu werden. Selbst dort, wo es in der tibetischen Exilgemeinde andere Auffassungen gibt, ist sein persönliches Renommee sehr hoch. Aber trotzdem ist es eine zu einfache Perspektive, alle Fragen zur Entwicklung in Tibet ausschließlich auf den Dalai Lama zu konzentrieren. Wir haben gelegentlich im Westen die Neigung hochkomplexe schwierige Zusammenhänge in China auf einfache Perspektiven zu reduzieren. Der freundlich lächelnde Dalai Lama ist dafür ein ausgesprochen geeigneter Sympathieträger. |
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